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Italien

Mittelmeer: Gerettete dringend auf sicheren Hafen angewiesen

Rom, 2. November 2022. Nach insgesamt sieben Rettungen von Schiffbrüchigen im Mittelmeer durch ein Team von Ärzte ohne Grenzen sind die 572 Geretteten dringend auf die Zuweisung eines sicheren Hafens angewiesen. An Bord der Geo Barents befinden sich derzeit unter anderem drei schwangere Frauen sowie mehr als 60 teils unbegleitete Minderjährige und kleine Kinder – das jüngste ist erst elf Monate alt. Die Menschen wurden bereits zwischen dem 27. und 29. Oktober gerettet.

Alle Rettungseinsätze fanden in der maltesischen Seenotrettungszone statt. Obwohl Ärzte ohne Grenzen die zuständigen Behörden rechtzeitig informiert hat und die maltesischen Behörden wiederholt um Koordinierung baten, blieben alle Anfragen unbeantwortet. „Die Untätigkeit der Küstenstaaten, insbesondere Maltas, ist eklatant, da dieses Land es unterlässt, einen sicheren Ort zum Ausschiffen zu organisieren oder bereitzustellen", erklärt Riccardo Gatti, Einsatzleiter an Bord der Geo Barents. Auch die italienischen Behörden wurden mehrfach kontaktiert.

„Wir haben 572 Menschen an Bord mit 572 verschiedenen Geschichten. Sie alle haben ihr Leben riskiert, um das Mittelmeer zu überqueren. Sie waren auf überfüllten Booten und unter kritischen Bedingungen unterwegs”, sagt Gatti.

Es muss sichergestellt sein, dass auf See gerettete Personen so schnell wie möglich und ohne große Umwege an einen sicheren Ort gebracht werden, um ihre grundlegenden menschlichen Bedürfnisse zu erfüllen. Auf See ist das nicht möglich.

Nach den Leitlinien für die Behandlung von aus Seenot geretteten Personen und laut dem SOLAS-Übereinkommen zur Schiffssicherheit und dem Internationalen Übereinkommen über Seenotrettung ist die Regierung, die für die Seenotrettungszone zuständig ist, dafür verantwortlich, einen sicheren Ort bereitzustellen oder dafür zu sorgen, dass ein solcher Ort bereitgestellt wird. Das unmittelbare Engagement und die koordinierende Rolle der Staaten in diesen Situationen sind von größter Bedeutung, damit die Achtung der Menschenrechte und anderer völkerrechtlicher Grundsätze wie den Zugang zu medizinischer Versorgung gewährleistet wird.

„An Bord befindet sich ein Junge, der unbedingt nach Deutschland will, da dort seine Mutter lebt, die unheilbar an Krebs erkrankt ist. Er möchte sie ein letztes Mal sehen, bevor sie stirbt. Für den Jungen gab es keine Möglichkeit, ein Visum zu erhalten, so dass er sich auf die tödlichste Route der Welt begeben hat.”, sagt Gatti. „Ebenfalls an Bord ist eine Familie aus Togo mit einem elf Monate alten Mädchen, das in Libyen mit einer Lippenspalte geboren wurde und nun Schluckbeschwerden hat. Ihre Eltern haben in Libyen gearbeitet, um Geld für die Behandlung ihrer Tochter zurückzulegen, und gleichzeitig versucht, ein Visum für Europa zu bekommen, was ihnen immer wieder verweigert wurde. Die einzige Möglichkeit, die nötige Behandlung zu bekommen, war die Überfahrt über das Meer“, sagt Gatti. „Jeder, der das Mittelmeer überquert, weiß, dass sein Leben in Gefahr ist, aber es gibt keine andere Möglichkeit. Ebenfalls an Bord ist ein Junge, der von der libyschen Küstenwache abgefangen und viermal gewaltsam nach Libyen zurückgeschickt wurde. Diesmal hat er es geschafft, dem Missbrauch und der willkürlichen Inhaftierung zu entkommen“, sagt Gatti.

 

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Ärzte ohne Grenzen führt seit 2015 Such- und Rettungsaktionen im zentralen Mittelmeer durch. Seit Beginn der Operationen mit der Geo Barents im Mai 2021 hat Ärzte ohne Grenzen mehr als 5.400 Menschen gerettet und die Leichen von elf Menschen geborgen, die auf See gestorben sind.

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Unser Pressereferent Holger Vieth
Holger Vieth
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