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Ukraine

Ukraine: Massive Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen

Kyjiw/Berlin, Ärzte ohne Grenzen zeigt sich über das Ausmaß der Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen in der Ukraine besorgt. Zusätzlich gibt es keinen oder nur erschwerten Zugang zu medizinischer Versorgung in besetzten Gebieten, wie Patient*innen und medizinisches Personal in einem am heutigen Donnerstag veröffentlichten Bericht der internationalen Hilfsorganisation berichten.  

„Unsere Teams haben direkt gesehen, wie Häuser, Geschäfte, Spielplätze, Schulen und Krankenhäuser in Schutt und Asche gelegt wurden. In einigen der Städte und Dörfer, in denen wir arbeiten, ist alles zerstört. Entlang der 1.000 Kilometer langen Frontlinie in der Ukraine sind einige Gebiete einfach von der Landkarte verschwunden", sagt Christopher Stokes, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in der Ukraine.  

Im vergangenen Jahr waren die medizinischen Teams von Ärzte ohne Grenzen mehrmals Zeuge von Angriffen auf die Gesundheitseinrichtungen. In zwei Fällen, im April in Mykolajiw und im Juni in Apostolowe, sahen sie, wie Krankenhäuser von Streumunition getroffen wurden. Die medizinische Nothilfe musste daraufhin für mehrere Tage unterbrochen werden. In drei weiteren Fällen, am 8., 11. und 15. Oktober 2022, entdeckten die Teams von Ärzte ohne Grenzen Minen in funktionierenden Krankenhäusern in ehemals russisch besetzten Gebieten in den Regionen Cherson, Donezk und in Isjum.  

„Der Einsatz von Landminen ist in Frontgebieten weit verbreitet, aber dass sie in medizinischen Einrichtungen platziert wurden, ist schockierend: ein bemerkenswerter Akt der Unmenschlichkeit. Es ist eine klare Botschaft an alle, die auf der Suche nach Medikamenten oder Behandlungen sind: Krankenhäuser sind kein sicherer Ort", sagt Vincenzo Porpiglia, Projektkoordinator für die Einsätze von Ärzte ohne Grenzen in der Region Donezk.  

Nach der Ausweitung des Krieges im Februar 2022 haben Teams von Ärzte ohne Grenzen die medizinischen und humanitären Bedürfnisse der Bevölkerung in 161 Städten und Dörfern in den Regionen Donezk und Cherson erhoben, um die Menschen in der Nähe der Frontlinie medizinisch bestmöglich unterstützen zu können. Die Beobachtungen sind auf diese Gebiete beschränkt, da Ärzte ohne Grenzen im Moment nur in Regionen unter ukrainischer Kontrolle tätig sein kann, obwohl die Hilfsorganisation gebeten hat, auf beiden Seiten der Frontlinie zu arbeiten.  

Berichte von medizinischem Personal und Patient*innen, die unter russischer Kontrolle lebten, wiesen darauf hin, dass der Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten und Behandlungen aufgrund von Ausgangbeschränkungen, massiver Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen oder des unberechenbaren Verhaltens einiger russischer Einheiten stark eingeschränkt war. Diese Informationen wurden durch die medizinischen Aufzeichnungen von Ärzte ohne Grenzen von 11.000 Konsultationen (November 2022 bis Februar 2023) gestützt. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen versorgten häufig Patient*innen mit chronischen Erkrankungen, die mehrere Monate lang unbehandelt blieben.  

Ärzte ohne Grenzen mahnt alle Kriegsparteien, humanitäres Völkerrecht einzuhalten und ihren Verpflichtungen nachzukommen, die Zivilbevölkerung und die zivile Infrastruktur zu schützen. Krankenhäuser und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens dürfen niemals Ziele sein. Die Kriegsparteien müssen eine ungehinderte Versorgung mit lebensrettenden Medikamenten und medizinischem Material ermöglichen sowie den Menschen einen sicheren und ungehinderten Zugang zu unabhängiger humanitärer Hilfe gewährleisten. 

Ärzte ohne Grenzen arbeitete erstmals 1999 in der Ukraine. Seit dem 24. Februar 2022 hat die Organisation die Aktivitäten erheblich ausgeweitet und neu ausgerichtet, um auf die durch den Krieg in der Ukraine entstandenen Bedürfnisse zu reagieren. Aktuell arbeitet Ärzte ohne Grenzen in Apostolowe, Dnipro, Fastiw, Ivano-Frankiwsk, Charkiw, Konstjantyniwka, Kropywnyzkyj, Krywyj Rih, Kyjiw, Lwiw, Lyman, Mykolajiw, Odesa, Pokrowsk, Slowjansk, Ternopil, Uschhorod, Saporischschja und Schytomyr. Das medizinische Angebot umfasst unter anderem die Behandlung von Tuberkulose, Notfallchirurgie, Behandlung von Betroffenen sexualisierter Gewalt, Physiotherapie und psychische Gesundheit. Ausserdem setzt Ärzte ohne Grenzen Krankenwagen und einen spezialisierten medizinischen Evakuierungszug in der Ukraine ein. Im Jahr 2022 konnten damit 2.558 Patient*innen evakuiert werden, von denen 700 traumatische Verletzungen erlitten hatten.

Den Bericht „Between Enemy Lines“ finden Sie hier (auf Englisch). 

Für weitere Auskünfte sprechen Sie uns an

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Maida Dedagić
- Pressestelle