
Unsere Hilfe in Indien
Die aktuelle Situation in Indien
Tuberkulose ist die tödlichste Infektionskrankheit weltweit. Ein Drittel der weltweiten Todesfälle infolge von Tuberkulose ereignet sich in Indien. Patient*innen erfahren teils zu spät von ihrer Erkrankung oder haben keinen Zugang zu lebensrettenden neuen Medikamenten wie Bedaquilin und Delamanid. Die Krankheit trifft Kinder genauso wie Erwachsene, doch ist die Diagnose bei ihnen noch schwieriger, da Tests weniger zuverlässig sind.
Die Diagnose von resistenter Tuberkulose bei Kindern ist schwierig. Wir brauchen dringend kinderfreundliche Diagnoseinstrumente und Medikamente, um resistente Tuberkulose bei Kindern wirksam zu behandeln.
- Vijay Chavan, Arzt für Thoraxchirurgie und Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen in Indien
Bei der Behandlung von Tuberkulose geht es nicht nur um die medizinische Therapie. Auch die psychosoziale Unterstützung der Patient*innen und ihrer Familien, Präventionsmaßnahmen sowie die Sensibilisierung der Öffentlichkeit zur Bekämpfung der Stigmatisierung spielen eine wichtige Rolle. In unserer Klinik in Mumbai – einer Stadt mit 22 Millionen Einwohner*innen – behandeln wir Patient*innen, die an resistenten Formen der Tuberkulose erkrankt sind, und bieten psychosoziale Hilfe an.
Mit Disziplin, einem gesunden Lebensstil und wirksamen Medikamente können auch resistente Formen der Tuberkulose geheilt werden, wie Namratas Geschichte beweist.
Wie wir in Indien helfen
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Wir behandeln unter anderem im Bundesstaat Bihar und in der Metropole Mumbai Patient*innen, die an Covid-19 erkrankt sind.
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Wir behandeln in und um Mumbai Menschen mit HIV und resistenter Tuberkulose und bieten ihnen psychosoziale Betreuung.
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Wir betreiben mobile Kliniken in abgelegenen Gebieten des Landes, wo selbst vermeidbare und behandelbare Krankheiten wie Malaria lebensbedrohlich sind.
Warum wir in Indien helfen
Wir schließen Lücken im indischen Gesundheitssystem und bieten medizinische Versorgung für Menschen, die sonst nur schwer Zugang dazu hätten. Denn trotz der verbesserten Gesundheitsversorgung in Indien erhalten nicht alle Menschen die medizinische Hilfe, die sie brauchen. Eine Kombination aus hohen Behandlungskosten, Armut, sozialer Ausgrenzung und einem überlasteten öffentlichen Gesundheitssystem hält sie davon ab.
Die Pandemie erschwerte diese Situation noch einmal. Menschen, die an Tuberkulose, HIV oder Diabetes erkrankt sind, sind durch die Covid-19-Pandemie doppelt gefährdet: Sie zählen nicht nur zur Risikogruppe, sondern sind auch davon betroffen, dass viele Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens für die Covid-19-Maßnahmen abgezogen werden. Die Konsequenz: Die Behandlung von Krankheiten wie Tuberkulose ist nicht mehr selbstverständlich. In mehreren Projekten behandeln wir resistente Tuberkulose (DR-TB), Aids-Erkrankungen und andere Infektionskrankheiten. Diskriminierung erschwert für Patient*innen, die HIV-positiv sind, oft den Zugang zu medizinischer Hilfe.
Darüber hinaus behandeln wir mangelernährte Kinder und bieten psychologische Unterstützung und Betreuung von Überlebenden sexualisierter Gewalt an.
In Indien helfen wir in Manipur, Maharashtra, Assam, Jammu und Kaschmir, Bihar, Chhattisgarh und Delhi. Ärzte ohne Grenzen bot erstmals 1999 Hilfe in Indien an.
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71Jahre im Durchschnitt.
In Deutschland: 83.7 Jahre -
68.5Jahre im Durchschnitt.
In Deutschland: 78.9 Jahre -
682Mitarbeiter*innen waren für uns im Einsatz.
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15.1Millionen Euro haben wir für unsere Hilfe vor Ort aufgewendet.
Quellen: UNDESA (2019a), MSF International Activity Report 2020
Tuberkulose bekämpfen: Wie Disziplin und Resilienz Namratas Leben retten
Namrata arbeitet als Erzieherin an einer internationalen Schule in Mumbai, als sie Fieber und Husten bekommt. Ihr ganzer Körper und ihre Brust schmerzen, sie ist erschöpft. Sie läuft von Klinik zu Klinik – denn Röntgen und Bluttests kann sich ihre Familie nicht leisten. Schließlich bekommt sie in der Tuberkulose-Ambulanz im Govandi Shatabdi-Krankenhaus, das wir unterstützen, die richtige Diagnose: multiresistente Tuberkulose. Sie beginnt mit der Behandlung und hofft auf schnelle Genesung, doch Ernüchterung stellt sich bei Namrata ein: Es dauert bis zu zwei Jahre, auch mit den neuen Medikamenten Bedaquilin und Delamanid, bis ihre resistente Tuberkulose geheilt ist.
Mehr als zwei Jahre kämpft Namrata mit Nebenwirkungen wie Erschöpfung, Übelkeit und Sehstörungen. Mehr als einmal denkt sie daran, die Behandlung abzubrechen. In ihrer Familie stößt sie anfangs auf große Widerstände und Ignoranz, denn sie kann ihren Aufgaben und ihrer Rolle als Frau nicht mehr gerecht werden. Mehrfach sucht sie Unterstützung bei unseren psychosozialen Berater*innen.
Ich fand kreative Wege, die Medikamente einzunehmen. Die Tabletten hatten einen beißenden Geruch. Ich mischte sie in meine Lieblingsgerichte, Obstsäfte, Schokolade oder Bananen, um mir die Einnahme leichter zu machen. Ich schaute Bollywood-Filme während der Einnahme der Medikamente, um mich abzulenken, und las Geschichten von inspirierenden Frauen wie Jhansi ki Rani.
- Namrata, Gesundheitshelferin in Mumbai
Schließlich besiegt Namrata mit Disziplin und Resilienz die Tuberkulose und findet ihre Aufgabe. Heute hilft sie als Gesundheitshelferin im Team von Ärzte ohne Grenzen anderen Tuberkulose-Patient*innen, ihre Behandlung durchzustehen, und leitet eine Selbsthilfegruppe. Denn Tuberkulose zu besiegen, erfordert ein hohes Maß an mentaler Stärke.

Tuberkulose
Mit zehn Millionen Neuinfektionen im Jahr 2020 gehört Tuberkulose zu den bedeutendsten Infektionskrankheiten weltweit. Erfahren Sie mehr über Symptome, die Behandlung und unsere Hilfe.
HIV, Hepatitis C und Tuberkulose
Im Bundesstaat Manipur versorgten wir in Churachandpur, Chakpikarong und Moreh Patient*innen, die an HIV, Hepatitis C und herkömmlicher oder resistenter Tuberkulose erkrankt waren. Unsere Teams boten zudem im Unionsterritorium Jammu und Kaschmir psychologische Hilfe an, da die Bevölkerung unter den Folgen des jahrelangen Konflikts litt. Im Bezirk Jahangirpuri, im Norden Delhis, betreuten wir eine Klinik für Überlebende sexualisierter und häuslicher Gewalt. Im Bundesstaat Bihar behandelten wir HIV-Patient*innen im fortgeschrittenen Stadium, und im Bundesland Jharkhand versorgten wir mangelernährte Kinder.
In Mumbai setzten wir die enge Kooperation mit den nationalen Tuberkulose- und HIV-Programmen fort, um die Häufigkeit der Erkrankungen und die Todesraten zu senken. Das Hepatitis C-Programm, das wir im Bundesstaat Uttah Pradesh unterstützten, übergaben wir 2019 an die Behörden. Zudem betreuten wir mobile Kliniken, um Menschen in entlegenen Dörfern der Bundesstaaten Andhra Pradesh, Chhattisgarh und Telangana zu versorgen.
Der Kampf gegen Covid-19 in Indien
Im Juni eröffneten wir ein Notfallprojekt in der Imphal, der Hauptstadt des Bundesstaates Manipur. Gemeinsam mit den örtlichen Gesundheitseinrichtungen fokussieren wir uns dabei darauf, marginalisierten Bevölkerungsgruppen Behandlungen zu ermöglichen, falls sie sich mit Covid-19 infiziert haben. Neben der Einrichtung einer Covid-19-Intensivstation im Gebäude einer Schule unterstützen wir die Isolierung von Patient*innen in ihren Wohnungsstätten und besuchen die ländlichen Regionen, um Informationen über den Infektionsschutz und Hygieneprodukte zu verteilen.
Unser großes Covid-19-Projekt in einem Krankenhaus in Mumbai konnten wir im Juli an die lokalen Behörden übergeben. In Mumbai ist ein wichtiger Fokus unserer Arbeit nun die Versorgung von Wanderarbeiter*innen, die im vergangenen Jahr durch die Lockdown-Maßnahmen in Indien besonders hart getroffen wurden. Sie waren gezwungen, kurzfristig in ihre Heimatorte zurückzukehren, weshalb oft wichtige medizinische Behandlungen zum Beispiel gegen medikamentenresistente Tuberkulose unterbrochen wurden. In Vorbereitung auf eine weitere Covid-19-Infektionswelle versuchen wir jetzt gemeinsam mit den Wanderarbeiter*innen Wege zu finden, um die Behandlung in solchen Fällen aufrechtzuerhalten. Außerdem kümmern wir uns in dem Stadtteil Mumbais, in dem die Wanderarbeiter*innen hauptsächlich leben, um verbesserte sanitäre Bedingungen und psychosoziale Beratung.
In Assam unterstützten wir die Behandlung von Covid-19-Patient*innen, indem wir Geräte zur Sauerstoffkonzentration spendeten. Außerdem begannen wir ein Projekt, um in Teegärten Gesundheitsberatung anzubieten.
Letztes Update: 5. Mai 2022