
Unsere Hilfe in Libyen
Internierungslager: Folter und Menschenhandel
Die Situation für Migrant*innen in Libyen ist katastrophal. Hunderttausende von ihnen kommen auf der Suche nach Arbeit dorthin, um ihre Familie iin ihren Herkunftsländern finanziell zu unterstützen. Eine Minderheit versucht von Libyen aus sich auf den Weg über das Mittelmeer nach Europa zu machen.
Die Migrant*innen in Libyen gelten per Gesetz als illegale Einwander*innen und somit als Straftäter*innen. Sowohl die Einreise in das Land als auch die Absicht, es wieder zu verlassen, gelten als Inhaftierungsgrund. Bewaffnete Gruppen und Menschenschmuggler nehmen regelmäßig Geflüchtete fest und verschleppen sie in Internierungslager. Die Lage in den Gefängnissen ist dramatisch. Folter und gewaltsame Erpressung gehören zur Tagesordnung. Die Inhaftierten müssen für ihre Freilassung bezahlen, oft setzen die Lagerbetreiber auch ihre Familien unter Druck oder verkaufen die Migrant*innen als Arbeitskraft.
Medizinische Versorgung kaum möglich
Unsere Mitarbeiter*innen dürfen die wenigen offiziellen Haftanstalten in der Hauptstadt Tripolis nur unregelmäßig aufsuchen. Dort treffen sie immer wieder auf mangelernährte Insass*innen, es gibt keine Betten und nur wenige verdreckte Toiletten. Unter schwierigen Bedingungen versuchen unsere Teams dort, wenigstens eine medizinische Grundversorgung und psychosoziale Hilfe sicherzustellen. Die meisten Geflüchteten befinden sich jedoch in inoffiziellen Haftanstalten. Unsere Teams behandeln Menschen, die aus der Gefangenschaft entkommen konnten und bieten Überlebenden von Folter und Menschenhandel psychologische Unterstützung an. Trotzdem können wir selbst bei Menschen mit schwersten physischen oder psychischen Erkrankungen oft keine kontinuierliche medizinische Versorgung sichergestellt werden.
Als wir in Libyen ankamen, wurden wir direkt verkauft. Nach einigen Monaten kam die Polizei, die uns freilassen sollte. Stattdessen steckten sie uns einfach in ein Gefängnis in Tripolis. Ich zahlte mehr als 2.000 Euro, um freigelassen zu werden, und versuchte dann vergangenes Jahr, auf dem Seeweg zu entkommen. Aber die libysche Küstenwache fing uns ab und steckte uns wieder ins Gefängnis. Die Wärter schlugen den Leuten auf den Kopf, während sie auf dem Boden lagen. Sie wurden auch gezwungen, die Beine in die Luft zu strecken. Dann schlugen sie weiter, bis sie bluteten und bluteten. Das ist Folter!
- Abebi*, 26-jährige nigerianische Frau (*Name geändert)
Pushbacks auf dem Mittelmeer: Rückkehr in die Hölle
Einige der nach Libyen einreisenden Migrant*innen versucht von dort aus, das zentrale Mittelmeer zu überqueren. Unser Team auf dem Rettungsschiff Geo Barents wird regelmäßig Zeuge davon, wie die libysche Küstenwache Geflüchtete aus internationalen Gewässern völkerrechtswidrig zurück nach Libyen drängt. Dabei kommt es häufig zu riskanten Manövern, die die Menschen auf hoher See in Gefahr bringen. Gewaltsam werden die Migrant*innen dann zurück nach Libyen verschleppt. Dort sind sie erneut Inhaftierung, Menschenhandel und Folter ausgesetzt. Dieser Praxis liegen Migrationsabkommen der EU und Italien zugrunde, die eine massive finanzielle Unterstützung der libyschen Küstenwache vorsehen. Auch die Bundesregierung ist an der Ausbildung der libyschen Küstenwache beteiligt. Wir fordern deshalb, dass die europäische und die deutsche Unterstützung illegaler Rückführungen Geflüchteter nach Libyen beendet wird und setzen uns für die Schaffung legaler und sicherer Fluchtwege nach Europa ein. Um nach Libyen zurückgedrängte Geflüchtete zu unterstützen, bieten unsere Mitarbeiter*innen in Libyen außerdem medizinische Versorgung an zwei Ausschiffungspunkten an.
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77.3Jahre im Durchschnitt.
In Deutschland: 83.7 Jahre -
74.2Jahre im Durchschnitt.
In Deutschland: 78.9 Jahre -
210Mitarbeiter*innen waren für uns im Einsatz.
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9.4Millionen Euro haben wir für unsere Hilfe vor Ort aufgewendet.
Quellen: WHO (2019), MSF International Activity Report 2021 (2022)
Unsere Hilfe in Libyen im Jahr 2021
- 39.800 ambulante Sprechstunden
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2.080 vorgeburtliche Sprechstunden
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280 Tuberkulose-Neubehandlungen
Ärzte ohne Grenzen bot erstmals 2011 medizinische Hilfe in Libyen an.
Unterstützung für Migrant*innen und Geflüchtete
Im Westen Libyens leisteten wir medizinische und psychologische Unterstützung für Migrant*innen, Geflüchtete und Asylsuchende in Haftanstalten, in denen viele willkürlich festgehalten wurden und Machtmissbrauch erlebten. In Tripolis betreuten wir zudem monatelang mobile Kliniken, um besonders bedürftige Menschen basismedizinisch zu versorgen.
Behandlung von Tuberkulose
Wir boten Geflüchteten und Migrant*innen in Zuwara medizinische und soziale Unterstützung an und versorgten Überlebende von Folter und Menschenhandel in Bani Walid. In Misrata betreuten wir weiterhin ein Tuberkulose-Projekt und unterstützten auch das Nationale Tuberkulose-Programm sowohl technisch als auch bei der Diagnose und Behandlung.
13.02.2023