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Palästinensische Gebiete

Gazastreifen: Immer weniger Möglichkeiten zur medizinischen Versorgung

Jerusalem/Berlin, 15. Januar 2024. Für die Menschen im Gazastreifen gibt es kaum noch Möglichkeiten zur medizinischen Versorgung. Aufgrund der Sicherheitsrisiken für die Mitarbeitenden können Hilfsorganisationen praktisch keine Gesundheitsversorgung mehr anbieten. Ständige Evakuierungsbefehle und Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen haben Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen wiederholt gezwungen, Krankenhäuser zu evakuieren und Patient*innen zurückzulassen. 

Wir werden in Rafah im südlichen Gazastreifen nach und nach in die Enge getrieben und haben immer weniger Möglichkeiten, medizinische Hilfe zu leisten, während der Bedarf immer weiter wächst“, sagt Thomas Lauvin, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen vor Ort. „Mit dem Fortschreiten der Angriffe mussten wir mehrere Gesundheitseinrichtungen im Norden und dann im mittleren Gazastreifen evakuieren. Immer wieder waren wir gezwungen, Patient*innen zurückzulassen. Heute arbeiten wir hauptsächlich im Süden, weil es anderswo nicht mehr möglich ist.”  

Das Gesundheitssystem im Gazastreifen ist zusammengebrochen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind nur noch 13 der 36 Krankenhäuser teilweise funktionsfähig: neun im Süden und vier im Norden. In den beiden großen Krankenhäusern im Süden des Gazastreifens sind die Betten dreifach überbelegt und Vorräte und Treibstoff werden knapp.   

Am 6. Januar waren die Teams von Ärzte ohne Grenzen gezwungen, das Al-Aksa-Krankenhaus im mittleren Gazastreifen Krankenhaus zu verlassen, nachdem die israelischen Streitkräfte die Evakuierung der das Krankenhaus umgebenden Stadtteile angeordnet hatten. 

 Das Al-Aksa-Krankenhaus und unsere Patient*innen zu verlassen war eine schreckliche Entscheidung“, sagt Enrico Vallaperta, medizinischer Projektleiter im Gazastreifen. „Drohnenangriffe, Scharfschützenfeuer und Bombardierungen in unmittelbarer Nähe des Krankenhauses machten es zu unsicher, dort zu arbeiten. Unter den sich ständig ändernden Bedingungen ist es unmöglich, die Menschen auch nur minimal medizinisch zu versorgen.” 

Angriffe auf medizinische Einrichtungen oder Evakuierungsbefehle, insbesondere im Norden des Gazastreifens, machten es in den vergangenen Monaten immer wieder zu gefährlich, medizinische Hilfe zu leisten. Wiederholt mussten Teams von Ärzte ohne Grenzen Krankenhäuser verlassen.  

Dieses Muster wiederholt sich nun im Süden, wo fünfmal so viele Menschen leben wie vor dem Krieg. Der Bedarf an Notfall-, chirurgischer und postoperativer Versorgung ist dort enorm. Aufgrund der fehlenden Krankenhauskapazitäten können Patient*innen nicht angemessen behandelt werden. Infolge schlechter hygienischer Bedingungen kommt es vermehrt zu infizierten Wunden und medizinische Eingriffe müssen unter extrem schwierigen Bedingungen erfolgen. Viele Frauen, die sich einem Kaiserschnitt unterzogen haben, werden bereits nach sechs Stunden entlassen, um Platz für andere Schwangere zu schaffen, während andere abgewiesen werden müssen und in Zelten gebären. 

Die Sicherheitslage ist katastrophal, es gibt keine sicheren Orte, keinen Schutz für Zivilist*innen und humanitäre Helfende“, sagt Edward Chu, Notfallmediziner aus Deutschland, der Ende 2023 im Gazastreifen im Einsatz war. „Das Schlimmste für mich war, dass ich den Menschen nicht ausreichend helfen konnte. Wir mussten uns zwischen unserer eigenen Sicherheit und den Patient*innen entscheiden. Wir fordern daher einen sofortigen Waffenstillstand, um die Zivilbevölkerung zu schützen und humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Krankenhäuser dürfen nicht militärisch genutzt werden und nicht angegriffen werden.“ 

 

Ärzte ohne Grenzen bietet derzeit im Al-Emirati-Krankenhaus in Rafah Geburtsvor- und -nachsorge an, im Indonesischen Krankenhaus in Rafah physiotherapeutische und postoperative Hilfe und in der Al-Schabura-Klinik in Rafah medizinische Grundversorgung, Wundversorgung und Unterstützung bei psychischen Problemen. Darüber hinaus unterstützt die Organisation das Europäische Krankenhaus im Gazastreifen in geringem Umfang bei chirurgischen Eingriffen, und ein kleines Team von Pflegekräften hilft Patient*innen, die einen Wundverband benötigen. Im Al-Awda-Krankenhaus im Norden des Gazastreifens und im Nasser-Krankenhaus in Chan Junis arbeiten einige Mitarbeiter*innen unter extrem schwierigen Bedingungen, da es aufgrund von Luftangriffen und Kämpfen in der Nähe an Nahrungsmitteln und medizinischen Hilfsgütern mangelt. 

Für weitere Auskünfte sprechen Sie uns an

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Portrait: Katharina Wiechers
Katharina Wiechers
- Pressestelle